Ein Nachbericht zum Leseclub von Laura Freisberg

In ihrem Buch “Machonomics” analysiert Katrine Marcal, warum der “homo oeconomicus” immer als Mann gedacht wird, warum keine Frau und kaum ein Mann wirklich wie der “ökonomische Mann” handeln und wohin uns dieses problematische Modell geführt hat.

Zwei große Dilemmata entstehen, weil sich ökonomische Theorien zu sehr am “homo oeconomicus” orientieren: zum einen sind diese Theorien nicht in der Lage, einen Großteil der Realität abzubilden – als wäre er gar nicht existent. Es gibt keine Sprache, keine Möglichkeit zum Beispiel über den Bereich der unbezahlten Care-Arbeit zu diskutieren. Zum anderen wurde der “ökonomische Mann” zum scheinbaren Maßstab für unser Menschenbild in einer kapitalistischen Gesellschaft. Die Vorstellungen aus der Ökonomie formen aber die Realität, wenn zum Beispiel Gesetze so formuliert werden, dass sie möglichst den Prinzipien eines “homo oeconomicus” entsprechen.
Ein zweites, wichtiges Modell ist das der “unsichtbaren Hand des Marktes”. Die Überlegung zu diesem Modell ist folgende: wenn alle Menschen aus Eigeninteresse handeln entsteht daraus – wie durch Magie – eine Situation, die für alle das Beste bedeutet.

Katrine Marcal schreibt aber, dass dieser “ökonomische Mann” in etwa die geistige Reife eines Kleinkindes hat, er wird getrieben von einer grenzenlosen Gier: billig einkaufen, teuer verkaufen. Er sieht sich selbst einsam und isoliert – aber dass sich Menschen, vor allem Mädchen und Frauen eben nicht so wahrnehmen, sondern vor allem in einem Beziehungsgeflecht erleben, das lässt sich durch Forschung in der Psychologie und Soziologie widerlegen. (Eine besonders spannende Lektüre zu diesem Thema ist “Die andere Stimme” von Carol Gilligan)

Marcal stellt auch die Frage, was die “Sexyness” des ökonomischen Mannes ausmacht – warum sich dieses Modell so hartnäckig hält, obwohl es die Realität so schlecht abbilden kann. Ihre Antwort: es ist der Irrglaube, man könnte wirklich unabhängig von anderen Menschen sein, man wäre automatisch erfolgreich, wenn man rational handelt. Diese Fiktion eines unabhängigen Selbst wird aber durch die Realität bedroht: durch Gefühle, Abhängigkeit, durch den eigenen sterblichen Körper.

Allerdings, so schreibt Katrine Marcal: wer ökonomisch erfolgreich sein will – so die Annahme – müsse so sein wie der “ökonomische Mann”. Diese Art des Wirtschaftens und Konsumierens hat unsere Welt an die Grenzen dessen gebracht, was noch verträglich ist für das Überleben auf der Erde.

Von den Teilnehmerinnen im Leseclub wurde das Buch sehr unterschiedlich bewertet: manche fanden “Machonomics” inspirierend, auf den Punkt gebracht – andere kritisierten, dass der Schreibstil doch sehr flapsig sei und dass sie nicht wirklich etwas Neues erfahren hätten: der homo oeconomicus sei nur ein Rechenmodell, Marcal würde die Bedeutung überbewerten.

Einig waren sich aber alle in dem Fazit, dass es eine neue Art geben müsse, Ökonomie zu beschreiben und zu bewerten. Katrine Marcal macht in ihrem Buch keine konkreten Vorschläge, wie das aussehen könnte, im Leseclub wurden zumindest ein paar erste Schritte diskutiert. Zum Beispiel hat eine Teilnehmerin darauf hingewiesen, dass man sich den Begriff der “Rationalität” wieder aneignen müsse. Ein egoistisches, ausbeuterisches Verhalten sei eben nicht “rational” – eines das auf Nachhaltigkeit setze und soziale Faktoren in Betracht ziehe eben schon.

Viel wurde auch über das Konzept der “Gemeinwohl-Ökonomie” diskutiert – das auch neue Maßstäbe beinhaltet, um “gutes” Wirtschaften zu beurteilen. Als Beispiel wurden u.a. Neuseeland genannt, das erstmals “well-being” als Kriterium in die Politik mit aufgenommen hat sowie hierzulande genossenschaftlich organisierte Banken, die versuchen den “Gemeinwohl”-Kriterien zu entsprechen.

Interessant war auch ein Vorschlag, sich den Begriff der “Wirtschaft” anzueignen – Wirtschaft beschreibe doch so viel mehr, als den Bereich, der den Gesetzen des Marktes unterliegt. Und was ist dann “gutes Wirtschaften”, wenn wir unter “rationalem” Handeln eben kein ausbeuterisches Verhalten verstehen?

Lange wurde auch darüber diskutiert, wer nun aktiv werden müsse: ob es eine individuelle Sache sei (der Endverbraucher*innen) oder eine Sache “der Politik”. Fazit: es gibt kein “wir” oder “die Politik”, denn wir alle machen ja Politik.

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