Vor ein paar Wochen war ich bei einem interessanten Workshop bei den Münchner Kammerspielen, der im Rahmen des gleichnamigen Festivals zu feministischer Performance und Praktiken des Zusammen-Seins an den Münchner Kammerspielen stattgefunden hat. Unter dem Motto #Breaking The Spell ging es unter anderem um den Umgang miteinander auf Augenhöhe unter den Akteur:innen am Theater. Ein verschlungenes Labyrinth sind die Münchner Kammerspiele. Unter der Glaspyramide ganz oben über den Dächern Münchens nahmen wir auf Stühlen und auf dem Boden Platz. Vorher hatte es von Modupe Laja von den „Schwarzen Frauen in Deutschland“ eine Begrüßung des Ortes gegeben. Jetzt schien die Sonne brennend durch die Glaskuppel. Was uns wohl erwartete?

Wir begannen mit einer Standortbestimmung

Zuerst machten wir eine eigene Standortbestimmung: ich zum Beispiel bin weiß, als Frau identifiziert, verheiratet mit einem Mann, mit Kindern, schon älter, einigermaßen wohlhabend, usw. Als wir uns solche Dinge reihum erzählten, fiel mir gleich auf, wie die beiden Leiter:innen sich verhielten: sie wirkten sehr aufmerksam. Zugleich waren sie verschieden: die eine emotional und temperamentvoll, die oder der andere eher ruhig und ziemlich klar. Bald machte sie einen Hinweis zu einer genannten  Selbstbeschreibung: es ging um den Ausdruck „verschiedene Hautfarben“. Ruhig erklärte sie, dass die Einteilung in verschiedene Hautfarben ein rassistisches Denkmodell ist und dass Hautfarbe ein politischer Begriff ist. Ihr Gegenüber sah das nicht ein. Es ging ein bisschen hin und her, wurde dann auf später vertagt. Das Interessante für mich war dabei: das Eingreifen der Leiterin war klar eine Korrektur. Sie ließ nicht locker, aber es kam kein Hauch einer Atmosphäre von Überheblichkeit oder Abwertung auf. Es war so, als ob wir alle, auch sie, gerade dabei sind, etwas zu lernen.

„Breaking The Spell“: Auseinandersetzung mit Macht

Es waren eine Reihe Theaterleute und auch Künstler:innen dabei. Sie erzählten von ihren Erfahrungen am Theater und in der Kunstszene, wo es einerseits extrem persönlich wird und andererseits starke Hierarchien gibt, oft inoffiziell und unausgesprochen: wie ein Fluch – „Breaking The Spell“. Ein großer Teil dieses Machtgeschehens verläuft entlang der Machtlinien der Gesellschaft: Erschwerte Lebensumstände, Rassismus, Homophobie, Klassenzugehörigkeit, Sexismus. Die beiden Leite:rinnen stellten sich als Mitglieder einer Initiative „Solidarität am Theater“ vor.

„Unsettling Dramaturg“: Die Rolle des eigenen Körpers

Und dann bekamen wir einen spannenden Text: „Unsettling Dramaturgy – Living Agreement“. Ich schaute nach: „Unsettle“: „aus dem Gleichgewicht bringen, verstören“. Die Autor:innen des Textes nennen sich „Crip and Indigenous dramaturgs“ und stammen aus Kanada und den USA. Einige ihrer Leitlinien: Der eigene Körper, der Ort, das Land, an dem wir zusammenkommen, spielen eine Rolle. Eine Praxis haben, in der Bezogenheit und Fürsorge füreinander in den Mittelpunkt rücken; Anerkennung gegenseitiger Abhängigkeit und Verletzbarkeit und zugleich Anerkennung von Selbstbestimmung; Verantwortung für die anderen einschließlich der Verantwortung, die eigenen Bedürfnisse zu äußern; Fragen stellen, Wertschätzung zeigen, Konflikte wertschätzen. Und einiges mehr, gibt es hier nachzulesen.

Wir redeten, erzählten von eigenen Erfahrungen und Versuchen. Das Sprechen miteinander hatte diesen Anflug von Einverständnis und Zugehörigkeit, obwohl nicht alle und auch ich nicht immer einverstanden waren. Plötzliche Schlussrunde: wir waren viel zu spät dran für das Zusammenkommen aller Workshops in der Dark Box, dem Bühnenraum. Nur das rechtzeitige Aufhören hatten wir nicht hingekriegt.

 

Impressionen vom Workshop

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