Ein Nachbericht von Elisabeth Beuttel

„Sie wissen schon, dass (in dem koffeinfreien Kaffee) auch Spuren von Koffein drin sind?“…“Wollen Sie ihn immer noch?“

(Frau an die hochschwangere Marlo in „Tully“)

In einem fast vollständig besetzten Werkstattkino haben wir zusammen den Film „Tully“ angesehen. Eingeleitet wurde der Abend mit einem Vortrag zur „Care Arbeit“. Im Anschluss hörten wir Ausführungen zu „Mental Load“ und postnatalen Depressionen.

In „Tully“, geschrieben von Diablo Cody und gedreht von Jason Reitman, geht es um Marlo (Charlize Theron), die als Mutter von drei Kindern ziemlich überfordert ist. Das dritte Kind ist gerade erst geboren und die anderen beiden verlangen trotz allem Stress viel Aufmerksamkeit. Der Vater glänzt mit arbeitsbedingter Abwesenheit. Marlo erinnert sich derweil an ihr altes Leben zurück und stellt sich die Frage, ob sich „das alles“ so wirklich gelohnt hat.

Hilfe
kommt in Form der Nacht-Nanny Tully, die Marlo in Zeiten kompletter Überforderung
unterstützt. Schließlich entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine
aufregende Freundschaft, die Marlos Leben auf den Kopf stellt.

„Klar, in den Zwanzigern ist das Leben super. Aber dann kommen die Dreißiger um die Ecke, wie ein Müllwagen um fünf Uhr früh.“

(Marlo in „Tully“)

Der Film schneidet in anrührender, lustiger und auch trauriger Weise sehr wichtige Bereiche eines Lebens als Mutter an. In unserer Gesellschaft wird die sogenannte Care Arbeit hauptsächlich von Frauen übernommen. Das liegt an unserem ökonomischen System, das auf Männer ausgerichtet ist und in dem die Reichen geschützt und die Armen ausgebeutet werden. Dass die Care Arbeit unersetzlich für unsere Gesellschaft ist, ohne die die Erwerbswelt auch gar nicht funktionieren würde, wird in gesellschaftlichen Debatten oft außer Acht gelassen. Frauen kümmern sich um Kinder, ältere Menschen und um Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen oder psychischen Erkrankungen. Das wird als selbstverständlich hingenommen und bleibt unsichtbar. Wer mehr darüber wissen möchte, dem sei unter anderem die Studie „Time to Care – unpaid and underpaid care work and the global inequality crisis“ von Oxfam empfohlen.

Ein weiterer Punkt, über den wir an diesem Abend etwas hören durften und im Anschluss im Gasthof Fraunhofer noch sprechen konnten, war Mental Load. Wer kümmert sich eigentlich darum, dass die Kinder die passende Kleidung in zweifacher Ausführung haben, dass die Schuhe für den nächsten Wachstumsschub schon bestellt sind oder gar einfach die Hafermilch für den nächsten Besuch schon im Kühlschrank steht. Ist diese mentale Organisationsarbeit Frauensache? Sind Frauen alleine physiologisch für diese Tätigkeit vorbestimmt und tragen somit die alleinige Verantwortung, diese Dinge zu übernehmen? Die Antwort auf diese Frage erübrigt sich. Und so wurde der Schwerpunkt unserer Diskussion auf die Frage gelegt, wie das Thema in unserer Gesellschaft mehr Gehör finden kann. Erste Ansätze gibt es, zum Beispiel dank dem Comic „The mental load. A feminist Comic“ der Zeichnerin Emma.

Zu guter Letzt sprachen wir  über postnatale Stimmungskrisen. Die vielen persönlichen Geschichten der Teilnehmerinnen waren zugleich erschreckend und beeindruckend. So geht das Bild der Belastung von Müttern (und Vätern) ja nun doch über die „Heultage“ hinaus, kann vielfältige Erscheinungsformen annehmen und bedarf in jedem Fall Hilfe und eine offene Kommunikation. Wer sich weiter mit dem Thema befassen möchte hier ein paar Tipps:

Solltet ihr selbst oder jemand in eurem Umkreis davon betroffen sein, gibt es die folgenden Anlaufstellen und Internetseiten mit Informationen zu dem Thema und Adressen, an die Frau und Mann sich immer wenden kann:

Konkrete Anlaufstellen in München: