Die Idee gibt es seit letzten November: am 29. Februar 2016 ist „Equal Care Day“. Aufgebracht haben ihn die beiden Journalist_innen Almut Schnerring und Sascha Verlan auf ihrem Blog.

Wozu ein „Care Day“? Es geht um die mangelnde Wertschätzung der Fürsorgearbeit, um den geringen Stellenwert, den das Sich-Kümmern um Kinder, die Pflege von kranken und alten Menschen, das Da-Sein für behinderte Menschen in unserer Gesellschaft hat.

Wieso „Equal Care“?

Weil zugleich ein Bewusstsein geschaffen werden soll dafür, dass 80 % der Care-Arbeit von Frauen geleistet wird, sowohl im professionellen Bereich wie im Privatbereich. Vier Jahre braucht es von einem 29. Februar bis zum nächsten: Das ist die Zeit, die Männer in Deutschland brauchen würden, um die Care-Arbeit zu leisten, die Frauen in einem Jahr geleistet hatten – also müssten sie bereits im Jahr 2012 damit anfangen.

Der Equal Care Day knüpft hier an den jährlichen „Equal Pay Day“ an, mit dem seit 2008 in Deutschland daran erinnert wird, dass Frauen im Durchschnitt deutlich weniger verdienen als Männer – im Jahr 2014 waren das nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland 21,6%. Frauen müssen also für den gleichen Jahreslohn 79 Tage länger arbeiten als Männer, eben bis zum 19. März 2016, während Männer schon seit dem 1. Januar bei angenommenen gleichen Stundenlohn für ihre Arbeit bezahlt werden.

Nicht aufrechnen, wertschätzen

Nun geht es beim Equal Care Day nicht darum, die olle Hausarbeit und lästige Fürsorge nur gerechter zu verteilen, damit man möglichst wenig damit zu tun hat. Es geht wie gesagt um Wertschätzung und die basiert darauf, dass es um das Leben von Menschen einschließlich des eigenen Lebens geht und nicht um x-beliebige Produkte. Alle Menschen sind voneinander abhängig, auch wenn es einem nicht immer vor Augen steht. Wenn man alleine ist und gerade richtig krank, dann wird einem diese Tatsache deutlicher, um nur ein Beispiel zu nennen.

Inzwischen ist zum Thema Care („Fürsorge“ klingt vielleicht etwas altmodisch) einiges in Bewegung geraten: Im März 2014 startete das NetzwerkCare-Revolution“, eine von 500 Teilnehmer_innen besuchte Aktionskonferenz in Berlin, auf der fortlaufende Aktionen zum Thema Care vereinbart wurden, zum Beispiel eine bessere Bezahlung für angestellte Care-Arbeit, aber auch eine Verbesserung der Bedingungen im unbezahlten Bereich und vor allem eine Erhöhung der allgemeinen gesellschaftlichen Wertschätzung!

Warum gibt es so wenig Wertschätzung für Care-Arbeit?

Eine Begründung ist sicher die, dass Care-Arbeit nur bedingt gewinnträchtig ist. Und wo sie es ist, geht es oft an ihrem Sinn vorbei – wer will schon Pflege wie am Fließband? Ein anderer Grund liegt darin, dass Autonomie, geistige Betätigung, aktives Herstellen von Dingen zu den höhergeschätzten Werten unserer Kultur gehören und Männern zugesprochen werden – und das schon seit vielen hundert Jahren. Sosehr Frauen mit Recht und vehement gleiche Chancen in der offiziellen Arbeitswelt fordern, so wenig sollte sich dies gegen die Care-Arbeit richten, im Gegenteil. Die offizielle Arbeitswelt muss sich wesentlich mehr nach den Bedürfnissen für Care in unserer Gesellschaft ausrichten.

Ohne die Care-Arbeit läuft in Wirklichkeit gar nichts, sie ist das unsichtbare Zentrum. Man könnte sogar noch einen Schritt weiter gehen und die (ketzerische?) Frage stellen: Inwieweit kümmert sich die offizielle Arbeitswelt eigentlich um die Bedürfnisse von Menschen? Wollen wir wirklich noch weiter glauben, dass sie es schon richten wird, wenn man ihr nur freien Lauf lässt? Oder wäre auch hier der Maßstab von „Care“ anzulegen?

Care macht mehr

Eine weitere Initiative zum Thema Care heißt „Care-macht-mehr“. Sie hat durch kreative Aktionen zum 1. Mai auf sich aufmerksam gemacht, den sie zum „Tag der unsichtbaren Arbeit“ erklärt hat und an dem ehrwürdige Statuen von Denkmälern mit Eimer und Putzlappen ausgestattet wurden.  Außerdem wurde im Zusammenhang mit dieser Initiative erreicht, dass das Bayerische Kultusministerium einen Forschungsauftrag zur Care-Arbeit erteilt hat.

Im März vergangenen Jahres gab es eine Tagung der Evangelischen Akademie Tutzing, die das Care-Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet hat, unter anderem auch, wie weibliche Arbeitskräfte aus Osteuropa bei uns Care-Lücken füllen, dabei in den eigenen Familien Lücken hinterlassen und unter welchen Bedingungen sie dies tun, hier unser Bericht dazu.

Kar-Woche ist Care-Woche

Neu hinzugekommen ist vor kurzem die Aktion „Kar-Woche ist Care-Woche“, die auf die als „Karwoche“ bezeichnete Woche vor Ostern anspielt und diese den lebendigen Beziehungen unter Menschen widmen möchte, als erstes mit einem Set von Postkarten.

Bleibt die Frage nach der eigenen Haltung zur Care-Arbeit: der Wunsch, die alten weiblichen Rollen nicht fraglos zu erfüllen ist ebenso berechtigt wie das Anliegen, menschliche Bedürfnisse und Beziehungen nicht fallen zu lassen. Es gilt: sowohl – als auch. Erst recht für Männer: Männlichkeit ist durch Care-Arbeit nicht in Frage gestellt, sie war es nicht und ist es nicht.

Cornelia Roth