Zum Nachhören: Radio Lora hat Auszüge der Veranstaltung vom 27. April gesendet – hier kann man die Sendung nachhören.

Es gibt kein Thema, bei dem Frauen sich m e h r von Männern unterscheiden: Geld. Vor allem, wenn’s ums Sparen geht, um Geldanlagen und Vorsorge, klafft eine große Lücke zwischen den Geschlechtern – so groß, dass viele Frauen spätestens im Alter ihre finanzielle Unabhängigkeit einbüßen und schlicht: nicht genug haben. Woran liegt das? Was können Frauen dagegen tun? Und andererseits: Ist Genügsam-sein in Zeiten steigenden Ressourcen-Verbrauchs vielleicht gar keine so schlechte Strategie?

Frauen haben weniger Geld, das ist ein Teil des Problems: Ihre Gehälter lagen 2014 im Schnitt 21,6 Prozent unter den Gehältern von Männern[1], Frauen arbeiten während und nach der Kinderpause oft und lange in Teilzeit und wuppen ganz generell über zwei Drittel des deutschen Niedriglohnsektors[2]. Die Folge: Das Thema Altersarmut liegt fest in weiblicher Hand. Bereits jetzt bekommen Frauen mit durchschnittlich 570 Euro Rente im Monat nur gut die Hälfte von dem was Männern für den Lebensunterhalt bleibt[3]. 17 Prozent der Frauen ab 65 sind sogar akut armutsgefährdet[4]. Tendenz für die nächste Rentnerinnengeneration: steigend.

Komisch ist nur: Das ist alles längst bekannt. Doch Frauen haben nicht nur weniger, sie planen auch weniger. Jede dritte junge Frau kümmert sich mit keinem Cent um ihre Altersvorsorge[5]. Die Zahl der Teilzeit-arbeitenden Frauen hat sich seit der Wiedervereinigung verdoppelt[6]. Absprachen mit Lebenspartnern, was die Finanzen angeht, sind wiederum selten – und das in Zeiten, in denen Ehen eine 50/50-Überlebenschance haben. Sparen und Sicherheit haben offensichtlich nicht das Zeug, Frauenthemen zu werden.

Woran liegt das? Fehlt vielen Frauen schlicht das Bewusstsein, eine Strategie für finanzielle Unabhängigkeit zu entwickeln? Halten es Frauen mit Geld wie mit der Karriere und gehen gar anders damit um – weniger zielstrebig? Oder suchen Frauen ihre Sicherheit eben weniger im monetären Bereich als im sozialen Umfeld – haben lieber bewusst weniger, als viel auf Kosten anderer? Und: Wie könnten Strategien aussehen, mithilfe derer Frauen finanzielle Unabhängigkeit erreichen – ohne sich auf kapitalistische Vermarktungsinteressen zu verlassen?

Darüber diskutierten die Publizistin Antje Schrupp aus Frankfurt und die Finanzexpertin Helma Sick aus München. Den Abend moderierte Elisabeth Veh vom Bayrischen Rundfunk.

„Frauen müssen mitspielen“ vs. „Dann lasst uns die Spielregeln ändern!“, so beschreibt Moderatorin Elli Veh die beiden Referentinnen auf dem Podium im Saal des Münchner Stadtmuseums. Die, die zum Mitspielen auffordert, ist die Finanzexpertin Helma Sick, 75 Jahre alt, wie sie später bekennt, und seit Langem Finanzberaterin für Frauen. Ihr gegenüber sitzt die Publizistin Antje Schrupp, rund 25 Jahre jünger. Gut 50 Frauen und zwei Männer sitzen im Publikum, gespannt, welche Antwort denn nun von Sick und Schrupp auf die Frage des Abends, „Wann ist es genug?“, gefunden wird. Und da bei „genug“ viele an Geld denken, dreht sich das Gespräch erst mal um die Rente.

Männer vereinbaren Liebe und Geld, Frauen nicht

Sehr engagiert berichtet Sick, dass ein Großteil der Frauen die jährliche verschickte offizielle Renteninformation nicht wahrnimmt, sodass jetzt sogar das Ministerium überlegt, wie die Information lesenswerter aufbereitet werden kann. Sie erzählt auch, dass ihrer Erfahrung nach Männer früher damit anfangen, sich Gedanken um finanzielle Vorsorge zu machen, viel früher als Frauen, die heute erst mit Anfang 30 soweit sind, immerhin rund zehn Jahre früher als die Generation davor.

Diese Nicht-Bereitschaft, sich mit finanziellen Themen auseinanderzusetzen liegt auch an der Gesellschaft, die Frauen lange als nicht für sich selbst verantwortlich sehen wollte, erklärt Schrupp. Hinzu kommt, so Sick, dass Männer in der Regel Liebe und Geld vereinbaren können, Frauen aber nicht, auch gelenkt von zugrunde liegenden Beziehungsmustern. Im Publikum gibt es Zustimmung. Antje Schrupp erzählt aus eigener Erfahrung, dass sie lange meinte, für etwas, das ihr Freude bereitet, nicht so viel Entgelt verlangen zu können wie für etwas Unangenehmes. Heute sieht sie das anders, genau gegenteilig: Je mehr Spaß ein Auftrag bringt, desto mehr Geld soll es dafür geben, eben damit Geld und Glück nicht mehr länger getrennt werden – sie verändert tatsächlich die Spielregeln.

Vorsicht: das neue Unterhaltsrecht

Helma Sick will, dass Frauen wirklich aktiv mitspielen: etwa dass sie mit ihren Partnern über Geld sprechen, Partnerschaft auf Augenhöhe auch in diesem Bereich einfordern, selbst wenn sie dann häufig den Satz hören: „Du vertraust mir nicht.“ Sick ist besorgt darüber, dass viele Frauen das neue Unterhaltsrecht nicht zur Kenntnis nehmen, das ihnen keine finanzielle Absicherung mehr nach einer Trennung durch den Ex-Partner gewährt. Diese gefährliche Unkenntnis haben ihr Familienanwältinnen bestätigt. Schrupp wird hier sehr deutlich, sie sagt, dass eine Frau nur dann Hausfrau sein kann, wenn sie im Lotto gewonnen hat. Ihrer Meinung nach wäre ein Bedingungsloses Grundeinkommen, das sie im Kern an die alte Sozialhilfe vor der Einführung von Hartz IV erinnert, ein gangbarer Ausweg aus den bestehenden Zwickmühlen, in denen sich viele Frauen ökonomisch befinden.

Gefragt nach persönlichen Startegien, erzählt Antje Schrupp, dass sie mit zwölf bereits einen Bausparvertrag hatte, sich aber um Aktienfonds heute eher ihr Mann kümmert. Da sie davon ausgeht, dass die Rente bald erst ab 75 ausbezahlt wird, rät sie, weniger zu planen – dafür aber Gelegenheiten zu ergreifen, realistisch zu bleiben und sich Situationen nicht schön zu reden.

Zu ihrem 50. Geburtstag, erzählt Schrupp, schrieb sie im vorletzten Jahr einen Artikel mit der Überschrift, „Ich habe jetzt genug“. Sie beschreibt darin, dass sie mit dem, was sie erreicht hat, zufrieden ist, dass sie nicht noch mehr erreichen will. Und dass sie darauf überraschte Reaktionen erhalten hat: von „das kann man doch nicht sagen“ bis zu „hoffentlich bringt sie sich nicht um“. Hier zeigt sich deutlich, dass „genug“ in der Öffentlichkeit kaum mehr die Bedeutung von einem positiven „ausreichend“ hat. Helma Sick ist eine Anhängerin von Lebensplänen, sie empfiehlt, sich frühzeitig mit Fonds, der Riesterrente und betrieblicher Altersvorsorge auseinanderzusetzen, was alles mit überschaubarem Zeitaufwand möglich ist.

„Ich habe jetzt genug“

Im anschließenden Gespräch mit dem Publikum geht es darum, dass Alleinerziehende – in neun von zehn Fällen Frauen – immer schlechtere Karten haben, wenn es um Finanzthemen geht. Und immer wieder: dass es individuelle Lösungen für strukturelle Probleme geben muss. So fordert eine Frau, Mutter mehrerer Kinder, dass Teilzeit möglich sein muss, wenn man Kinder und pflegebedürftige Angehörige hat. Eine andere berichtet von ihrem Ausstieg aus dem Geld-Thema, ihrem Gefühl von „Es ist genug“: Sie wohnt mit anderen am Ammersee, baut Gemüse an und füllt den Kühlschrank mit Lebensmitteln, die ihr der ansässige Supermarkt wegen abgelaufener Verfallszeiten gratis überlässt!

Zu den Referentinnen:

Antje Schrupp lebt in Frankfurt am Main. In ihrem Blog Aus Liebe zur Freiheitengagiert sie sich für Feminismus als Projekt für die ganze Gesellschaft. Sie publiziert zu politischen und philosophischen Themen und hat mehrere Bücher veröffentlicht. Zum Thema passt das „ABC des Guten Lebens„, das sie mit anderen Autorinnen gemeinschaftlich herausgegeben hat. Darin gibt es auch einen Artikel zum Thema „Genug“:

Was „genug“ bedeutet, erscheint in manchen Zusammenhängen klar, in anderen jedoch ziemlich unklar. Der Zustand des Genug gegessen Habens, der Sättigung, ist den meisten Menschen bekannt; was genug hier bedeutet, ist unmittelbar evident. Ebenso klar ist, dass der Zustand des Zuwenig gegessen Habens, der Hunger, und derjenige des Zuviel gegessen Habens, die Übersättigung, beide als unangenehm empfunden werden. weiterlesen

Antje Schrupp war schon häufig Gast bei Frauenstudien München; etwa im Leseclub zu dem Buch „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir (hier gibt es einen Videomitschnitt ihres Vortrags).

Die Finanzexpertin Helma Sick lebt in München. Sie berät mit ihrem Unternehmen „frau&geld“ Frauen und hat dazu auch mehrere Bücher veröffentlicht; Beiträge erschienen auch in Magazinen wie Brigitte oder Brigitte Woman. Ihre Hauptmission ist es, Frauen auf zu einer eigenständigen ökonomischen Lebensplanung zu ermuntern. „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“ heißt ihr aktuelles Buch, das sie gemeinsam mit der früheren Bundesministerin Renate Schmidt verfasst hat.

Seit 25 Jahren halte ich Vorträge zum Thema »Frauen und Geld«, in denen es darum geht, wie wichtig finanzielle Unabhängigkeit für Frauen ist, wie drastisch sich eine lange Berufsunterbrechung auf die Rente auswirkt, wie desaströs Minijob und lang andauernde Teilzeitarbeit sind usw. Ich könnte den Ursprungsvortrag mit kleineren Änderungen heute noch halten, so wenig hat sich verändert. Und warum ist das immer noch so? Weil Männer den Fortschritt auf diesem Feld nicht unbedingt fördern. Sie haben ja viel zu verlieren. weiterlesen

 


[1]    Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts verdienten Frauen im Jahr 2014 durchschnittlich 21,6 Prozent weniger als Männer. Quelle: http://www.equalpayday.de/startseite/

[2]    verdi. Quelle: https://frauen.verdi.de/themen/entgeltgleichheit/++co++a65ae2bc-1a60-11e3-944a-525400438ccf

[3]    Rentenbericht der Bundesregierung. Quelle: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Rente/rentenversicherungsbericht-2014-kabinettvorlage.pdf?__blob=publicationFile

[4]    Statistisches Bundesamt. Quelle:  https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/BevoelkerungSoziales/SozialesLebensbedingungen/Altersarmut.html

[5]    Repräsentative Umfrage der R + V Versicherung. Quelle: https://www.ruv.de/presse/pressemitteilungen/20130801-frauen-altersversorge

[6]    Studie Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Quelle: http://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/kb0415.aspx