Feministischer Leseclub Frauenstudien München e.V.

Nach den anregenden Abenden über Erika Jongs „Angst vorm Fliegen“ wurde der Leseclub im Juli fortgesetzt mit dem feministischen Klassiker „Häutungen“ von Verena Stefan. Ein Buch, das in den siebziger Jahren ein Kultbuch der 2. Frauenbewegung war. Es geht um Selbstbeheimatung und Fremdheit in einer von Männern geprägten Welt – um Selbstunterordnung und Aufbruch, in den privaten Beziehungen wie darüber hinaus. Dabei hatte der eigene Körper und die eigene Sexualität einen ganz besonderen Stellenwert.

Cornelia Roth hat einen Nachbericht verfasst:

Zehn jüngere und zwei ältere Frauen diskutierten miteinander: Treffen die in dem Buch geschilderten Beziehungen zwischen Frauen und Männern und die dahinterliegende patriarchale Kultur mit ihren Strukturen heute noch zu? Hat sich etwas verändert?

Für viele der jüngeren Frauen war das in dem Buch geschilderte Ausmaß, in dem Frauen Männen damals zu gefallen hatten, unvorstellbar. Für ökonomische und soziale Sicherheit musste vor 60 Jahren ein hoher Tribut geleistet werden, an Rollenanpassung und auch in der Verfügung über sich und den eigenen Körper. Und diese Anpassung geschah in der Regel von vornherein. So gar kein Verhältnis zum eigenen Körper zu haben, nur im Blick des Mannes zu existieren, all das, aus was sich die Protagonistin des Buches mühsam herausarbeitet, war für Jüngere überraschend und das Umgekehrte eher selbstverständlich. Aber nicht in jeder Hinsicht: Belästigungen und v.a. Bedrohung durch Gewalt und Vergewaltigung bestehen weiter. Dabei wurde erzählt, dass der Ton Frauen gegenüber in Bereichen, die als „typisch weiblich“ gelten, z.B. in der Pflege, deutlich besser ist als z.B. in der Elektroindustrie, wo mancherorts ein Ton von Frauenfeindlichkeit wieder „chic“ werde. Würden Frauen dort wagen, ähnlich über Männer zu reden, wäre das ihr sozialer Tod. Und auf diese Art von Gleichberechtigung war auch niemand scharf.

Lange sprachen wir über den Satz: „Ich hatte geduscht, Er hatte gedacht“ – ein Satz, der die Erkenntnis der Autorin zusammenfasst, dass Männer sich für das höhere Geistige zuständig sahen und Frauen dafür, sie zu beherbergen und mit Liebe zu versorgen. Wie ist das heute? Eine Teilnehmerin meinte, das funktioniere nicht mehr so gut. Wo Männer beim Denken nur Männer ansprächen, wendeten sich Frauen heute ab. Im Privaten könne man sich die Menschen ja aussuchen. Im beruflichen Umfeld sei es aber riskanter, Männern in ihrer Rolle die Bühne nicht zu überlassen, eigenes Denken zu äußern oder etwas besser zu wissen. Hinzugefügt wurde von einer älteren Teilnehmerin noch, dass die Art des Denkens von Frauen, ihre Denkkultur, von Männern häufig nicht wertgeschätzt werde.

Erstaunt waren viele Teilnehmerinnen über etliche Slogans, die in dem Buch vorkamen, wie z.B. „Aufstand der Frauen“ oder „Sexismus geht tiefer als Klassenkampf“. Sie empfanden solche Ausdrücke als Zeitdokument, konnten sich da nicht wiederfinden – vielleicht auch wegen der Absolutheit dieser Slogans, die einerseits nichts beschönigen, andererseits nichts relativieren.

Zum Schluss ging es um die Frage: Sich selbst finden oder – in Beziehung sein? Sie wird am Schluss des Buches scheinbar aufgeworfen: „Der Mensch meines Lebens bin ich“. Eine Teilnehmerin löste diese Frage so auf: ohne die Liebe zu sich selbst ist die Liebe in Beziehung zu Anderen nicht möglich – umgekehrt auch nicht.

Das Buch „Häutungen“ von Verena Stefan hat 127 Seiten und ist antiquarisch zu bekommen in der Ausgabe des Verlags Frauenoffensive von 1975 oder des Fischer Verlags von 1994. Es kann auch über „Buch und Bohne“, Tel. 089-37414060 bestellt werden. Die Kosten liegen je nach Angebot bei etwa 8-10 Euro.

Der Leseclub fand in der Buchhandlung „Buch und Bohne“, Kapuzinerplatz 4, 80337 München, statt , Eintritt: 4  Euro, ermäßigt 3 Euro. Moderation: Laura Freisberg.