Helke Sander zeigt in ihrem Film „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“ aus dem Jahr 1977 den Alltag einer alleinerziehenden Mutter, Edda Chiem­ny­jewski, die als freiberufliche Fotografin in Berlin lebt. Gespielt wird die Fotografin von Helke Sander selbst, eine der Schlüsselfiguren der deutschen Frauenbewegung. Die Regisseurin und Autorin ist als Aktivistin besonders bekannt geworden durch ihre berühmte „Tomatenwurf-Rede“ 1968 auf dem Delegiertentreffen des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS).

Den damaligen Zorn von Sander, geboren 1937, und ihren Mitstreiterinnen löste die Tatsache aus, dass die SDS-Männer zwar allerlei verändern wollten, dabei aber nach wie vor „einen bestimmten Bereich des Lebens vom gesellschaftlichen“ abtrennen wollten: das sogenannte Privatleben. Dort standen Frauen aber in einem „Ausbeutungsverhältnis„, das eben durch die Privatisierung unsichtbar gemacht, gar geheim gehalten wurde. Und somit nicht wirklich angeprangert werden konnte von denen, die neue Strukturen forderten und alte Ungerechtigkeiten auflösen wollten.

Die Zerrissenheit in einem ganz  normalen Frauenleben im geteilten Berlin der späten Siebziger zeigt der Film „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“ mehr als treffend. Am Telefon hat Helke Sander mit Barbara Streidl über den Film gesprochen:

Ihr Film „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“ ist aus dem Jahr 1977: Was wollten Sie damals mit der Geschichte zeigen?

Helke Sander: Na, genau das, was ich gezeigt habe: Was alles in einem Tag untergebracht werden muss – und kann. Die Hauptfigur meines Films ist eine Frau, weil Frauen ja ein noch viel zersplitterteres Leben führen als Männer, sind sie ja für so vieles zuständig.

Es heißt, der Titel des Films bezöge sich auf die damals beliebte Floskel des DDR-Funks von der „allseitig entwickelten sozia­lis­ti­schen Persön­lich­keit”, was ja zweifellos dem Bildungsziel der DDR entsprach.

Diesen Satz, der damals im Kultur- und Bildungsprogramm sehr oft zu hören war, habe ich ironisch verändert. Weil ich ihn mit sehr viel Skepsis gehört habe, wie gut gemeint er auch gewesen sein mag. Das habe ich mit meinem Titel ironisiert und zwar deswegen, weil im Film nicht nur die Person zerrissen ist zwischen privaten und beruflichen Aufgaben, sondern auch die Stadt, die eine Rolle spielt. Im Film geht es mir auch um den Berliner Alltag, der ja geprägt war durch die Mauer: Ich habe danach gesucht, wo die Mauer durchlässig war.

Dieses Zerrissensein zwischen privaten und beruflichen Aufgaben nennen wir heute „Vereinbarkeit“ von Beruf und Familie.

Dieses Wort, „Vereinbarkeit“, mag ich nicht. Weil in einem Leben so viel mehr existiert als nur Beruf und Familie: Wünsche, Tätigkeiten, Philosophie, Poesie, …

Ist dann „Vereinbarkeit“ die Reduzierung der reduzierten Persönlichkeit?

Ja, so könnte man das nennen.

Wie hat sich die Situation von alleinerziehenden berufstätigen Frauen – verglichen mit damals – verändert?

Ich erzähle von einer alleinerziehenden Mutter, einer Künstlerin, die zum regelmäßigen Geldverdienen als Lokal-Fotografin arbeitet. Und da lässt sich schwer sagen, wie es einer solchen Frau heute gehen würde. Schließlich ist bei der Kunst auch immer wichtig, wie die Qualität der Arbeit ist, zu viele Ecken und Kanten können da problematisch sein. Damals war Kritik über Ehe und Familie in der Öffentlichkeit nicht erlaubt, aber genau das wollten ja viele Künstlerinnen äußern. Das ist heute anders. Ich denke, heute sind ein paar Dinge leichter – es gibt das Kindergeld, mehr Kindergärten – ich habe aber dennoch das Gefühl, andere Dinge sind dafür schwieriger geworden. Und nicht zuletzt gibt es heute viel mehr alleinstehende Frauen und viel mehr Patchworkfamilien als früher.

Wenn Sie einen Anschlussfilm drehen würde, die Geschichte der Berliner Pressefotografin Edda Chiem­ny­jewski fortführten, was würde darin passieren?

Keine Fortsetzung. Das wäre auch nicht die Geschichte. Heute äußert sich Zerrissenheit noch einmal ganz anders. Wenn mir ein Produzent das Geld zu Füßen legen würde, würde ich etwas anderes damit machen.

 

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