Deconstructing the leader of the free world / Frauenstudien

Die Vereinigten Staaten haben gewählt: Am 20. Januar 2017 wurde Donald Trump als 45. Präsident vereidigt. Ein Mann, dem im Wahlkampf frauenfeindliches, sexistisches Verhalten nachgewiesen wurde, wird an die Spitze einer Weltmacht gestellt.

„Ist es ein Backlash gegen die Frauenbewegung, was wir mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten erleben?“

Das fragte Professorin Heike Paul zu Beginn ihres Vortrags. Sein provokanter Sexismus, sein Prahlen mit Tabubrüchen scheinen dafür zu sprechen. Und sie brachte Erkenntnisse der amerikanischen Frauenbewegung vor 30 Jahren in Erinnerung, wonach jede Phase des Erstarkens der Frauenbewegung einen Backlash nach sich zog, der gerade Ausdruck ihres Erfolgs war – die Bewegung aber auch verlangsamen konnte.

Es wählten nicht nur Männer Trump, sondern auch Frauen, die meisten davon weiß

Was lässt so viele weiße Frauen jemanden wählen, der verächtlich über Frauen spricht und mehr? Noch einmal griff die Referentin auf feministische Erkenntnisse aus den Achtzigern zurück: In Deutschland hatte Christina Thürmer-Rohr über die „Mittäterschaft“ von Frauen am Patriarchat geschrieben. Es sei ein Irrtum, dass Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts und erfahrener Einschränkung und Unterdrückung solidarisch mit Frauen seien. Die Moderatorin Barbara Streidl zitierte die Bloggerin Antje Schrupp: Es ist ein „Missverständnis, dass der Feminismus nur dann erfolgreich ist, wenn er eine Mehrheit von Frauen hinter sich hat. Feminismus analysiert die Welt aus der Perspektive der weiblichen Freiheit, aber das kann er nicht ‚im Namen der Frauen’ tun.“ Dies ist „eine Art von Repräsentationspolitik, die mit Frauen nicht funktioniert.“

Was weiße Frauen, und zwar hauptsächlich aus den ländlichen Gegenden und dem sogenannten „Rust Belt“ bewegt haben könnte, zeigte die Amerikanistik-Professorin Heike Paul anhand des Textes des beliebten Country Songs „Redneck Woman“ (2004) von Gretchen Wilson:

„Well I ain’t never been the Barbie doll type
No I can’t swig that sweet champagne
I’d rather drink beer all night…
On a 4 wheel drive tailgate
Some people look down on me
But I don’t give a rip
I’ll stand barefooted in may own frontyard with a baby on my hip
Cause I’m a redneck woman
And I ain’t no high class broad
I’m just a product of my raisin’…
So here’s to all my sisters
out there keepin’ it country
Let me get a big “Hell Yeah” from the
Redneck girls like me“

Übersetzt:

„Ich bin nicht der Barbie-Typ
Nein ich schlürfe keinen Champagner
Ich trinke lieber die ganze Nacht Bier
Auf meinem Hecklader mit Allradantrieb
Manche Leute schauen auf mich herab
Aber das ist mir schnurz
Ich werde barfuß mit einem Baby auf meinen Hüften in meinem eigenen Vorgarten stehen
Weil ich eine Redneck-Frau bin
Und ich bin kein High Class Töchterchen
Ich bin eben ein Produkt meiner Herkunft
Und so sage ich zu allen meinen Schwestern, die draußen im Land die Stellung halten: Lasst mich ein großes „Zur Hölle, Ja!“
hören von Euch Redneck Mädchen
Wie ich auch eins bin“

Backlash ja – aber ein Whitelash

Diese Frauen definieren sich offensichtlich aus ihrer sozial-kulturellen Situation heraus, mit Zorn oder Bockigkeit, aber auch mit trotzigem Stolz. Die Referentin nannte das, was insbesondere in den verarmten Gegenden des ehemaligen Industriegürtels in der weißen Bevölkerung entstanden sei: Sehnsucht nach einer „Zeitmaschine“ zurück in die Fünfzigerjahre. Nach Industriearbeitsplätzen, wo relativer Wohlstand mit der Hand erarbeitet wurde, nach Wachstum, nach klaren Rollenverteilungen in Kleinfamilien, deren Probleme unter den Teppich gekehrt wurden. Mit der Globalisierung und dem Niedergang der Industrie gingen nicht nur Einkommen, Infrastruktur und Bildung verloren, sondern auch Wertgefühl – und dies wendet sich heute gegen die gebildeten Eliten, die scheinbar machen, was sie wollen, um es sich gut gehen zu lassen und um dabei kulturelle Herrschaft über die übrigen auszuüben. Auch wendet es sich gegen Menschen anderer Hautfarbe und Orientierung, wie so oft. Der Zorn richtet sich dabei nicht gegen die Reichen, im Gegenteil. Es zieht vielleicht, meinte Heike Paul, erneut die Ideologie des „Trickle down“: zu hoffen, dass bei größerem wirtschaftlichem Erfolg der ganz Reichen durch neue Arbeitsplätze mehr zu den Armen durchsickert…
Auf ihre Eingangsfrage gab die Referentin folgende Antwort: Backlash ja – aber ein Whitelash. Er ist eine Bewegung weißer Männer und Frauen mit sozialem und kulturellem Inhalt und starker rassistischer Färbung. Da diese Bewegung rückwärtsgewandt ist, strebt sie auch in vieler Hinsicht ein Rückwärts gegenüber Errungenschaften der Frauenbewegung an.

Am Ende des Vortrags und auch in der anschließenden Diskussion wurde der Widerstand thematisiert, der sich jetzt in den USA wie auch andernorts dagegen formt. Man könne die Entwicklung auch als Chance begreifen, Kräfte zu vereinen und zu bündeln für die Verteidigung der Errungenschaften all der Bewegungen, die jetzt unter Beschuss stehen. Gerade finden die Women’s Marches statt, bei denen sich auch viele Männer beteiligen. Dabei kam kurz zur Sprache, dass es im Zuge der Vorbereitungen für den Women’s March in Washington zu Verstimmungen zwischen schwarzen und weißen Aktivistinnen kam. Die unterschiedliche Situation von Frauen dürfe nicht unter den Tisch gekehrt werden, es müsse mit ihr umgegangen werden.

Nachbericht von Cornelia Roth

Heike Paul
ist Professorin für Amerikanistik an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und unterrichtet insbesondere nordamerikanische Literatur- und Kulturwissenschaft. Sie hat diverse Bücher publiziert, u.a.
The Myths That Made America“ und „Mapping Migration – Women’s Writing and the American Immigrant Experience from the 1950s to the 1990s“.

Der Abend ist eine Kooperation mit dem Bayernforum der Friedrich-Ebert-Stiftung und der bayerischen Amerika-akademie.

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