Gleichberechtigung bis zum ersten Kind? Unsichtbare Care-Arbeit und ihre Folgen

Gleichberechtigung bis zum ersten Kind? Unsichtbare Care-Arbeit und ihre Folgen

Sobald das Kind auf der Welt ist, sieht es allerdings anders aus: Väter nehmen nur sehr viel weniger Elternzeit als Mütter, umgekehrt tragen sie mehr zum Familieneinkommen bei als ihre Partnerinnen. Und als hätte es 100 Jahre Emanzipation nicht gegeben, kümmern sich vor allem die Frauen – auch die voll und teilweise berufstätigen – fast allein um den Haushalt.

In der Familienpolitik wird das Bundeselterngeld als großer emanzipatorischer Erfolg gefeiert, immer mehr Väter nähmen Elternzeit, immer mehr Paare könnten gleichberechtigt leben. Ein qualitativer Blick auf die Zahlen zeigt allerdings, dass es einen klaren Trend zur 12:2-Lösung gibt, dass also immer mehr Väter nur zwei Monate Elternzeit nehmen (2007: 65,4% ; 2010: 76%). Liegt es daran, dass das Elterngeld genau so kommuniziert wird, dass die zwei zusätzlichen Monate in einer Partnerschaft mittlerweile auch in der Politik ganz ungeniert „Vätermonate“ genannt werden? Müsste Familienpolitik in einer durch und durch individualisierten Gesellschaft nicht für jeden Elternteil die gleichen Elterngeld-Zeiten bereitstellen, und zwar ausschließlich? Welche Vor- und Nachteile hätte ein solch radikales Modell? Frauenstudien München und die Petra-Kelly-Stiftung luden ein.

Moderatorin Susanne Klingner sprach am 14. Januar 2014 im Saal des Münchner Stadtmuseums mit der Bürgerrechtlerin Heide Hering und der Publizistin Stefanie Lohaus. Heide Hering begründete ihre radikale Forderung, das Elterngeld sollte vom Staat ausschließlich zu gleichen Teilen beiden Elterteilen angeboten werden, damit, dass sich in Sachen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau kaum etwas tut. Sie betonte die normierende Wirkung von gesetzlichen Regelungen. Stefanie Lohaus berichtete von ihren eigenen Erfahrungen, nämlich dass auch sie als emanzipierte Frau alte Rollenmuster an sich entdeckte, dass es gleichzeitig für sie aber nie zur Debatte stand, mit ihrem Partner ein gleichberechtigtes Team zu sein.

Neben der Politik nahmen die beiden Referentinnen auch die Wirtschaft ins Visier. Denn eine Arbeitswelt, die immer noch eine rund um die Uhr zur Verfügung stehende Arbeitskraft idealisiert, verträgt sich kaum mit der Idee einer 50:50-Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit. Aus dem Publikum wurde außerdem ergänzt, dass die als ein Zukunftsmodell propagierten 80-Prozent-Stellen für beide Elternteile kaum zur Entlastung beitragen würden, vielmehr leisteten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit einer 4/5-Stelle in weniger Zeit genauso viel wie Arbeitende auf vollen Stellen.

Mit Blick auf die praktische Umsetzung eines 50:50-Modells im Elterngeld berichtete Heide Hering von ihrer Arbeit am Gesetzesentwurf „Frauen in bester Verfassung“: 1990 schlug sie Überarbeitungen für das neue gesamtdeutsche Grundgesetz vor, die die Rechte von Frauen klarer definieren sollten. Aus dieser Arbeit heraus entstand der Zusatz zu Art. 3 GG, der Staat habe die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und solle auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken. Im Gespräch mit dem Publikum wurde mit der Idee geliebäugelt, auch mit der 50:50-Regelung an politische Parteien heranzutreten …

Zu den Referentinnen:

Heide Hering, aktiv in der Humanistischen Union, vor allem in Frauenthemen (§ 218, Emanzipation von Frau und Mann, Erziehung zur Erziehung ) und verantwortlich für einen ersten Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes. Sie fordert das Prinzip 50/50 auch auf gesetzgeberischer Ebene, zum Beispiel beim Elterngeld.

Stefanie Lohaus, Kulturwissenschaftlerin, Journalistin und feministische Aktivistin, ist Mitherausgeberin und Redakteurin der Popfeminismus-Zeitschrift Missy Magazine und schreibt als freie Autorin u.a. die Kolumne “Das Prinzip 50/50″ auf Zeit Online. 

Weiterlesen:
„Vereinbarkeit“ im Feministischen Lexikon auf fraulila.de