100 Jahre Frauenwahlrecht. Demokratie der Zukunft – nur mit uns“ – zu diesem Thema fand am 30. November 2018 die 3. Münchner Frauenkonferenz statt.

Ein Nachbericht von Barbara Streidl

Zu Beginn der Konferenz spricht neben Nicole Lassal, Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt, auch die 3. Bürgermeisterin, Christine Strobl. Strobl weist darauf hin, dass die Repräsentanz der Bevölkerung im Bundestag nicht ausgewogen sei, erwähnt die Gefahr einer „Eliten-Demokratie“, auf die wir zusteuern würden mit den vielen Juristinnen und Juristen und wenigen Menschen mit einem Mittelschulabschluss in der Politik.

In ihrem Vortrag zeichnet dann die Historikerin Dr. Kerstin Wolff die Geschichte des Frauenwahlrechts als kämpferischen Weg. Den Beginn der Frauenbewegung sieht sie im Jahr 1865 durch die Gründung des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins durch Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt in Leipzig. Im Anschluss schlüpft die Schauspielerin Brigitte Hobmeier in die Rolle von Rosa Kempf, Frauenrechtlerin und Sozialpolitikerin, die auch auf einer sogenannten schwarzen Liste der NSDAP stand. Vor dem Mittagessen wird noch die Studie „Wählen und Gestalten“ von Ingegerd Schäuble und Oranna Erb vom Münchner Schäuble Institut für Sozialforschung vorgestellt.

Nach dem Mittagessen verteilen sich die rund 400 Gäste auf Workshops. Barbara Streidl, Vorstand von Frauenstudien München, moderiert das Forum 1: „Verein ­– Blog – Flashmob: Frauenpolitisches Engagement heute“ mit sieben Referentinnen in einer Fishbowl-Diskussion. Die Referentinnen sind in zwei Gruppen eingeteilt: Vertreterinnen der „traditionellen“ Engagementformen sind Christiane Kern von den DGB Frauen Region München, Christa Weigl-Schneider vom Stadtbund Münchner Frauenverbände, Sibylle Stotz vom Autonomen Feministischen Forum (AUFF) sowie Tamina Zarif vom Verein für Afghanische Frauen. Über eine Videobotschaft stellen sich auch DeGfotzerten vor, eine Münchner Aktivistinnengruppe, die aus der Anonymität heraus Plakate und Flyer klebt und frauenpolitisch aktiv ist.

In einer zweiten Runde sind mit Laura Meschede vom Slutwalk München, die Podcasterin und Bloggerin Julia Jäckel und Nuschin Rawanmer von „Frauen der Welt“ neuere Engagementformen im Gespräch. Das Publikum beteiligt sich sehr aktiv an der Fishbowl-Diskussion – der freie Stuhl neben Moderatorin Streidl ist fast immer belegt.

Christiane Kern von den DGB Frauen München erzählt von der Gefahr der Überalterung in aktivistischen Gruppen, ein Problem, das allen bekannt ist. Sie erinnert sich daran, dass ihr T-Shirt mit dem Aufdruck „Make Feminism great again“ von Kolleginnen mit Skepsis aufgenommen wurde. Kern, die aus der Gewerkschaft der Polizei kommt, kennt auch Gegenwind im Umgang mit geschlechtergerechter Sprache. Und obwohl es in der Polizei Transgender-Menschen gibt, wird der Hinweis auf ein 3. Geschlecht etwa im Schriftverkehr noch nicht überall als „normal“ erachtet.

Christa Weigl-Schneider, die nicht nur im Stadtbund Münchner Frauenverbände seit langem aktiv ist, sondern auch im Verein für Fraueninteressen, im Deutschen Juristinnenbund und in anderen Organisationen, erklärt die Bedeutung von Aktionsbündnissen, etwa für den Equal Pay Day. Fast alle der Referentinnen (und auch die Moderatorin) kennen den Stadtbund und sind mit ihren Organisationen dort auch vertreten.

Wie wichtig es ist, unabhängig und „frei im Hirn“ zu bleiben, erklärt Sibylle Stotz vom Autonomen Feministischen Forum (AUFF). Für ihr Engagement bei den Aktionswochen gegen Gewalt an Frauen, Mädchen und Jungen ist sie gerade (16.11.2018) mit „München leuchtet“ in Gold ausgezeichnet worden. Stotz weist auch auf die Gefahr der Pornofizierung der Gesellschaft hin. Tamina Zarif ist über ihre Mutter zum Verein für Afghanische Frauen in München gekommen. Vom Publikum gefragt, welche Definition von Feminismus die Referentinnen hätten, weist Zarif darauf hin, dass ihr Verständnis von Feminismus ein Prozess, eine Entwicklung ist und nichts Abgeschlossenes.

Im Zwischenfazit wird neben der Wichtigkeit der Aktionsbündnisse auch das Bedürfnis nach Schutz- wie Resonanzräumen für Frauen erwähnt. Um die Öffentlichkeit zu erreichen, da sind sich alle einig, wird ein langer Atem gebraucht.

Nach einer zweiten Videobotschaft der Gfotzerten erklärt Laura Meschede vom Slutwalk München die Intention der Gruppe: „Demonstrationen gegen Sexismus und die in unserer Gesellschaft weit verbreitete Annahme, dass Opfer sexualisierter Gewalt eine Mitschuld tragen“. Neben dem Hinweis auf das problematische „victim blaming“ erklärt Meschede auf Nachfrage aus dem Publikum, dass es beim Slutwalk auch darum geht, mit dem Rückhalt der Gruppe in der Öffentlichkeit zu sein in den Kleidungsstücken, die dafür persönlich ausgewählt wurden – ob das nun ein kurzer Rock ist, ein tiefer Ausschnitt oder etwas anderes. Julia Jäckel schreibt in ihrem Blog Dilemmama.de darüber, dass die „private Dilemmama auch öffentlich“ ist und stellt in ihrem Podcast abendgruen.com Menschen vor, die engagiert sind. Nuschin Rawanmehr ist aktiv in vielen Organisationen und Projekten z.B. bei „Frauen der Welt“, dem Nachbarschaftstreff Trambahnhäusl in Ramersdorf und im Landesmigrationsausschuss Ver.di. Moderatorin Streidl zitiert den Musiker und Bürgerrechtsaktivisten Harry Belafonte, „If you’re not angry, you’re not willing to change“. Sie fragt, ob „Wut“ ein Motor ist im Aktivismus. Rawanmer bejaht, ihr geht es darum, wirklich etwas zu verändern und nicht nur darüber zu sprechen.

Im Fazit blicken alle Referentinnen relativ optimistisch in die Zukunft und hoffen, dass es auch in 20 Jahren noch Räume gibt wie die Münchner Frauenkonferenz, in denen Frauen öffentlich darüber reden können, wie sich politisches Engagement vorstellen.

Die Münchner Frauenkonferenz endet dann nach einem weiteren Podium zu frauenpolitischen Perspektiven mit Songs des Chors „Melodiva“ („Ich will alles“ von Gitte bringt den Saal zum Klatschen) und dem gemeinsam mit dem Publikum gesungenen „March of the women“.

Wir freuen uns schon auf die 4. Frauenkonferenz!

Links und Hintergründe: